Von Manfred Flöther,
Fachberater für Hör- und Sprachgeschädigte beim Niedersächsischen Landessozialamtes für Soziales, Jugend und Familie:
Die niedersächsische Sozialpolitik verfolgt seit Jahrzehnten das Ziel, Kindern mit schweren Spracherwerbsstörungen bereits im Vorschulalter durch eine optimale Förderung und Behandlung ein glückliches und sorgenfreies Leben in unserer Gemeinschaft zu ermöglichen. Sprache und Kommunikation sind wesentliche Elemente menschlichen Seins - Störungen in diesem Bereich haben deshalb meist auch (negative) Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung und die Eingliederung in die Gesellschaft.
Bis zu 25% aller Vorschulkinder weisen sprachliche Defizite (in Artikulation, Grammatik, Wortschatz, Stimmgebung, Redefluss, Mundmotorik oder Sprachverarbeitung) auf. 6-8% aller Kinder im Vorschulalter leiden unter erheblichen sprachlichen Problemen. Vielen kann im Rahmen ambulanter Behandlungen gut geholfen werden, bei einigen sind diese allerdings oft nicht ausreichend.
Die Fachberater für Hör- und Sprachgeschädigte beim Niedersächsischen Landesamt für Zentrale Aufgaben (mit Sitz in Hildesheim) haben deshalb ein flächendeckendes Netz von Sprachheilkindergärten in Niedersachsen aufgebaut, um für diese Kinder vor Eintritt in die Schule einen "Turbo" einzuschalten: diese Kinder werden in kleinen Gruppen (acht Kinder) interdisziplinär gefördert (Pädagogik, Sprachtherapie, Bewegungstherapie, Psychologie). Eine enge Zusammenarbeit mit kinder- und HNO-ärztlichen Praxen wird über die Fachberatung in enger Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt praktiziert. Eine Vorstellung beim Fachberater kann über dasGesundheitsamt vermittelt werden.
Viele Kinder (und deren Eltern) haben - wenn sie dem Fachberater im Gesundheitsamt vorgestellt werden - leider schon eine lange Odyssee durch Arzt- und Therapeutenpraxen, Kliniken und Kindergärten hinter sich. Neben sprachlichen Störungen sind oft auch weitere Auffälligkeiten vorhanden: Störungen der Wahrnehmung oder der Motorik fallen auf - als Folge der Kommunikationsprobleme oft auch Unsicherheit, Rückzugsverhalten oder gar Aggressionen. Wenn Kinder nicht verstanden werden, entsteht oder droht Unglück. Auch wenn alle Fachleute den Eltern helfen, ihren Kindern mit ambulanten oder integrativen Förder- und Behandlungsangeboten den Verbleib im Heimatkindergarten zu ermöglichen, so bietet in einigen wenigen Fällen der Sprachheilkindergarten mit seinem Turbo-Effekt eine letzte, allerdings äußerst effektive Möglichkeit, bis zur Einschulung die oft erheblichen Handicaps abzubauen.
Der Sprachheilkindergarten ist als Durchgangs-, nicht als Dauer-Kindergarten für sprachgestörte Kinder konzipiert: die meisten Kinder können erfreulicherweise nach 12 Monaten interdisziplinärer Sprachheilbehandlung wieder in den Regelbereich entlassen werden. Falls noch leichte Auffälligkeiten vorhanden sind, wird eine nachgehende ambulante Therapie vermittelt.
