Selbstständigkeit stärken, Selbstbewusstsein finden
„Hauswirtschaft? Das macht meine Mutter doch auch irgendwie?“ – Mit diesem Klischee hat Anna Müller, Ausbildungsberaterin in besagtem Bereich, immer wieder zu kämpfen. Die zehn Frauen, die in den vergangenen sechs Monaten bei Anna Müller den Grundlagenkurs „Hauswirtschaft für geflüchtete Frauen und Frauen mit Migrationshintergrund“ absolvierten, können jedem, der dieses Klischee beansprucht, das Gegenteil beweisen. Denn Ökotrophologie, so der Fachbegriff für die Lehre der Haushalts- und Ernährungswissenschaften, ist weit mehr als kochen und putzen – hier geht es um Ökonomie, Hygiene, Knigge, Nachhaltigkeit, Arbeitsschutz und vieles mehr. Die Qualifizierungsmaßnahme wurde im Landkreis Aurich zum zweiten Mal vom Jobcenter finanziert und der Landwirtschaftskammer organisiert.
„Unser Ziel ist es, die Teilnehmerinnen in hauswirtschaftliche Dienstleistungsbetriebe zu vermitteln. Wir möchten den Frauen eine Perspektive geben. Außerdem werden die Sprachkenntnisse verbessert. Unsere Frauen kommen aus Syrien, dem Libanon, Armenien oder Russland, aber einen Dolmetscher brauchen wir hier nicht“, sagt Müller, Ausbildungsberaterin bei der Landwirtschaftskammer.
Fünf Tage die Woche wurde den Frauen Theorie und Praxis der Hauswirtschaft vermittelt, was anschließend in zwei betrieblichen Praktika von ihnen in die Realität umgesetzt werden musste.
Eine der Kursteilnehmerinnen ist Fanda Omar. Sie kommt ursprünglich aus dem kurdischen Teil Syriens und lebt mittlerweile mit ihrer Familie in Großefehn. Ihre insgesamt siebenwöchige Praktikumszeit absolvierte sie im Kindergarten Großefehn, in den auch ihre Tochter geht.
„Meine Tochter hat immer, wenn sie mich gesehen hat, ganz stolz gerufen: „Das ist meine Mama!“ Es war eine schöne Zeit“, erzählt Omar lachend.
Auch seitens des Kindergartens war man glücklich über die Zusammenarbeit:
„Es war total super. Frau Omar hat sich ganz schnell bei uns eingelebt und die Zusammenarbeit war wirklich gut“, berichtet Kindergartenleiterin Birgit Park.
Das Programm trägt Früchte: Fünf der Frauen aus dem vergangenen Kurs konnten in Arbeit vermittelt werden und auch aus dem laufenden Kurs hat bereits fast die Hälfte eine Aussicht auf eine Anstellung oder eine Ausbildung. Unter ihnen auch Malla Khadijeh, die unmittelbar nach Kursende ihre Ausbildung zur Pflegeassistenz aufnimmt.
„Wir müssen lernen, um hier zu leben. Das ist anstrengend, besonders auf einer anderen Sprache, aber es ist wichtig. Und Spaß macht es auch“, sagt sie.
Frank Hinrichs, der Sachgebietsleiter des Ü25-Teams in Aurich, übergab den Absolventinnen der Maßnahme feierlich ihre Zertifikate:
„Sie haben sich auf den Weg gemacht. Nicht nur aus einem anderen Land nach Deutschland, sondern auch in Ihre berufliche Zukunft. Sicherlich gegen den ein oder anderen Widerstand. Es läuft nicht immer alles geradeaus. Mal läuft es gut, mal nicht, dann muss man gemeinsam schauen, wie es weitergeht. Genau das haben Sie gemacht und darauf können sie zurecht stolz sein“, so Hinrichs.
Saodat Steinhorst, zuständig für die Arbeitsvermittlung und die Qualifizierungsmaßnahme beim Jobcenter in Aurich, betonte nach dem erfolgreichen Abschluss des Kurses den hohen integrativen Mehrwert des Projektes.
„Der Kurs stärkt das Selbstbewusstsein der Frauen immens. Viele Frauen mit Migrationshintergrund haben anfangs viele Ängste vor der neuen Situation, in der sie sich befinden. Viele befinden sich in Abhängigkeit, von ihren Männern, aber auch von staatlichen Leistungen. Hier lernen sie Selbstständigkeit. Im Praktikum sind sie ganz auf sich gestellt und sie haben es alle großartig gemeistert“, sagt Steinhorst.
Der dritte Kurs in Aurich ist bereits in Planung.