Integration anders denken, Muster verstehen

Integration anders denken, Muster verstehen

Das Projekt MISS unterstützt Frauen, ihren Weg zu finden

Was könnte einer Gesellschaft, die am demografischen Wandel und Fachkräftemangel krankt, besser dienen als gut integrierte, ursprünglich zugewanderte Frauen und Männer, die ihre Zukunft und ihr berufliches Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen? Wie leistet eine Gesellschaft eine Behörde, das Jobcenter den optimalen Beitrag zu einer gelungenen Integration, und zwar nicht nur aus unserer Sicht, sondern aus Sicht der Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte. Das „MISS-Projekt“, Migrantinnen integrieren Schritt für Schritt, beinhaltet genau dieses Ziel. Das Projekt legt zugrunde, dass der Erfolg der jeweiligen Familie sowie letztlich auch der Gesellschaft von dem Erfolg des Mannes und dem der Frau abhängig ist. Das Seminar richtet sich hier speziell an Frauen und ist seit 2021 im Angebot der Jobcenter.

Hauptsächlich Frauen aus den arabischen Ländern nehmen das Kursangebot wahr. Themenkomplexe wie Gesundheitsprävention, Vorsorge und Fitness, Zeit- und Familienmanagement, Stressbewältigung und Organisation stehen im Vordergrund. Wie können die Versorgung der Familie, alltägliche Erledigungen wie Behördengänge und Arztbesuche, Arbeit und die Zeit für sich selbst in das tägliche Leben eingebunden werden, ohne, dass es zu Überforderungen kommt?

"Mit diesem Kurs wollen wir unsere Blickrichtung wie auch die der Teilnehmerinnen verändern“, erklärt Amtsleiter Jobcenter Aurich/Norden Holger Kleen. „Ziel des Projekts ist deshalb erst nachrangig die Vermittlung in Arbeit. Mit Dr. Chouman haben wir dabei einen Projektleiter, der zudem auf wissenschaftlich höchstem Niveau arbeitet.“

Es soll die Angst genommen werden, die „Vollversorgung“ des SGB II zu verlassen, Eigenverantwortung zu übernehmen und die angestammten traditionellen Rollen zu verändern. „Teilweise sind die Frauen bereits seit Jahren in Deutschland, ohne sich in irgendeiner Weise zu integrieren“, lautet die Erfahrung der Arbeitsvermittlerin und Projektansprechpartnerin Saodat Steinhorst, aus Aurich.

Die gebürtige Usbekin hat viele gute Erfahrungen in den letzten beiden Jahren mit dem Angebot gemacht. „Die Frauen waren nach dem Kurs merklich selbstständiger und offener. Sie trauen sich mehr zu.“

So sieht es auch der Kursleiter, Psychologe Dr. Ibrahim Chouman. „Die Frage lautet, warum sind die Frauen arbeitslos?“. Dies sollen die eilnehmerinnen anfangs jede für sich beantworten. Teilweise kommen schon dabei unerwartete Dinge heraus. „Wenn ich wissen will, welche Idee jede für sich zu ihrem Leben und ihrer Zukunft hat, heißt es nur allzu oft ‚gar keine‘. So traurig man das finden mag, aber es sagt uns etwas, auch über die Integration in Deutschland.“

Die Folgefrage hierauf lautet übrigens: Was könnte passieren, wenn sich das ändern würde? „Wenn sich dieser Knoten gelöst hat, kann es weitergehen“, führt der gebürtige Ägypter aus. In Einzelgesprächen wird individuell beleuchtet, wie die Teilnehmerinnen erfolgreich sein können im Rahmen ihrer persönlichen und familiären Möglichkeiten und was das Jobcenter an ihrer Seite leistet. Denn häufig sind Behörden für Geflüchtete eher mit negativen Erwartungen verbunden. Dass sich dieses Bild ändert, Hürden und Ressentiments abgebaut werden und der Weg für eine vertrauensvolle und kooperative Zusammenarbeit geebnet wird, ist ebenfalls ein Baustein auf dem Weg zum Ziel.

Die Kursteilnehmerinnen sollen dabei unterstützt werden, das Gastland verstehen zu lernen, mit dem Fremdheitsgefühl umzugehen und trotzdem die eigene Kultur wahren zu dürfen.

„Wenn durch die Teilnahme an MISS der erste Schritt in Richtung Integration getan wurde, ist viel erreicht, und sei es, die Bereitschaft der Frauen dafür zu sorgen, dass die nächste Generation zur Integration bereit ist“, sind sich die Verantwortlichen einig.