Fahrgastbefragung im Landkreis Auch: Ein Baustein für die Mobilität von morgen

Fahrgastbefragung im Landkreis Auch: Ein Baustein für die Mobilität von morgen

Mobilität gehört zu den grundlegenden Erwartungen der Menschen in einer modernen Gesellschaft. Auch wenn es kein Recht auf Mobilität gibt, ist eines sicher: Wer nicht mobil ist, kann am gesellschaftlichen Leben nur eingeschränkt teilnehmen. Dies gilt in besonderem Maße für den ländlichen Raum. Während sich in Ballungsregionen viele jüngere Menschen mittlerweile ein Leben ohne Auto vorstellen können, ist dieser Wandel außerhalb der Metropolen kaum zu spüren. Hier ist das Auto für die meisten ein notwendiges Übel. Für die Verkehrsplaner lautet daher einer der Kernfragen: Wie müssen attraktive Verkehrs- und Tarifangebote aussehen, damit mehr Menschen den Bus und Bahn als Alternative zum eigenen PKW entdecken?

 

Diese Frage stellt sich auch der Landkreis Aurich zusammen mit dem Verkehrsbund Ems Jade (VEJ), die gemeinsam den Zugang zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für die Bevölkerung in Aurich und Umgebung sicherstellen. Bereits heute knüpfen rund 65 Buslinien ein dichtes Mobilitätsnetz zwischen den Mittelzentren im Landkreis bzw. über die Kreisgrenzen hinaus. Zudem organisieren die Kooperationspartner die Beförderung von Schülern im gesamten Bereich des Verkehrsverbundes. „Ein wichtiger Aspekt für die Mobilität von morgen sind Investitionen in die Infrastruktur“ sagt Hendrik Reichelt, der für die Nahverkehrsplanung im Landkreis Aurich zuständig ist. Hierzu gehören beispielsweise der barrierefreie Ausbau von Haltestellen und der Einsatz von Niederflurbussen für mobilitätseingeschränkte Personen. Hintergrund ist auch hier der demographische Wandel, insbesondere der zunehmende Anteil der älteren Bevölkerung im Nordwesten Niedersachsens. „Unerlässlich ist auch eine gute und funktionierende Fahrgastinformation an den Haltestellen und am Bus“ ergänzt Reichelt. Dies geschieht durch die Förderung von Haltestellenschildern, Abfahrtkästen und modernen elektronischen Fahrzielanzeigen. Während diese Maßnahmen in Eigenregie durch den Landkreis und den Verkehrsbund durchgeführt werden können, ist man bei anderen Fragen auf die Unterstützung der Fahrgäste angewiesen: Wie kann der Reiseverlauf aus Sicht der Fahrgäste optimiert werden? Wie kann die Vertaktung von Buslinien und damit die Anbindung an das (über-)regionale Bus- und Schienennetz verbessert werden?

Zur Beantwortung dieser Frage haben der Landkreis und der VEJ das Institut für projektorientierte Lehre (Ipro-L) der Hochschule Emden/Leer in 2018 mit einer Fahrgastbefragung beauftragt. Aufgabe des Ipro-L ist die Bearbeitung von praktischen Fragestellungen unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden für einen Auftraggeber. Damit will das Institut nicht nur einen Beitrag zur optimalen Ausbildung der Studierenden leisten, sondern auch den öffentlichen und privatwirtschaftlichen Organisationen der Region bei der Lösung von konkreten Fragestellungen helfen.

Unter der fachlichen Leitung von Prof. Dr. Marco Rimkus wurde im Zeitraum April 2018 bis Januar 2019 die Fahrgastbefragung konzipiert, durchgeführt und ausgewertet. Insgesamt konnten fast 1.000 Fahrgäste auf den Buslinien 410, 411 und 412 mit Hilfe interviewt werden. Gerade der persönliche Kontakt mit den Fahrgästen ermöglichte es hierbei, die Ideen und Wünsche der Fahrgäste optimal einzufangen. Für die Studierenden bestand die Herausforderung nicht nur in der fundierten Erstellung und Auswertung der Befragung. Die Fahrgäste offen auf eine Teilnahme anzusprechen und sich auf die einzelnen Personen und Persönlichkeiten einzustellen war eine der Kompetenzen, die im Rahmen des Projektes trainiert werden konnte. „Natürlich war das für manche von uns am Anfang eine Hemmschwelle“, sagt Nicole Schute, eine Studierende die das Projekt von Anfang bis zu Ende begleitet hat. „Aber es war unglaublich zu sehen, wie freundlich die Fahrgäste uns gegenüber waren. Die allermeisten haben sich an der Befragung aktiv beteiligt und sehr offen über Lob und Kritik gesprochen“ resümiert Schute. Zu den positiven Tönen gehörte übrigens auch die Freundlichkeit der Busfahrer, die von den Fahrgästen häufig hervorgehoben wurde.

 Die Ergebnisse der Befragung wurde den Projektpartnern im Januar vorgestellt. Diese werden in die zukünftige Verkehrsplanung für den Landkreis Aurich einfließen. Eine Wissenslücke gibt es aber aus der Sicht von Marco Rimkus noch: „Wir konnten naturgemäß nur diejenigen befragen, die bereits als Gast auf einer der Buslinien unterwegs waren. Interessant wäre es aber gerade auch die Menschen zu befragen, die bislang eben noch nicht das Angebot des ÖPNV im Landkreis Aurich nutzen.“ Dieser Ansatz würde aber methodisch und organisatorisch eine langfristige Zusammenarbeit und entsprechende finanzielle Mittel erfordern, erläutert der Professor der Hochschule Emden/Leer.